DIE NEUE NORMALITÄT

oder: „Wer ist hier verhaltensauffällig?“

Die Coronakrise hat mit der sogenannten „neuen Normalität“ die Frage in den Raum gestellt, was eigentlich normal ist und was nicht. Was war die alte Normalität und was ist die neue Normalität? Wie alt muss die Normalität sein, damit sie als normal zu bezeichnen ist und wann ist das Neue normal? Diese Fragen drängen sich mir geradezu auf, weil sie konsequent zu Ende gedacht unweigerlich zu der Antwort führen, dass es für den Begriff „normal“ keine geeignete Definition gibt, obwohl wir ihn ständig mit einer Selbstverständlichkeit gebrauchen und anwenden. Dem Begriff „normal“ liegt natürlich das Verständnis des Normativen zugrunde: Als normal bezeichnen wir das, was die vorherrschende Norm, im Sinne eines Mehrheitsverständnisses, abzeichnet. Gleichzeitig verbinden wir damit meistens aber eine qualitativ-moralische Bewertung: Gut ist, was normal ist, nicht gut ist, was abnormal ist.

Schauen wir uns doch einmal dieses Verständnis von Normalität anhand der aktuellen Zustände auf der Welt durch diese Brille an.

Normal ist…

demnach, dass MANN bestenfalls narzisstische, egomanische, selbstverliebte, machtgierige Persönlichkeitsmerkmale vorweist, um die Wahl zu einem der mächtigsten Staatenführer auf diesem Planeten zu gewinnen, bestenfalls können noch mangelnde Impulskontrolle und das Fehlen jeglicher sozialen und emotionalen Kompetenz aufgeboten werden, damit wäre das Anforderungsprofil dann perfekt erfüllt.

Normal ist, …

dass es solchen Staatsmännern ermöglicht wird jahrelange Bürgerkriege gegen die eigene Bevölkerung zu führen, ohne dass sich eine internationale Gemeinschaft offenbar in der Lage sieht, den grausamen Gemetzeln hier und dort Einhalt zu gebieten. Normal ist offenbar auch, dass der Profit durch den Handel mit Waffen dabei wichtiger ist als die humanitären Katastrophen und das unermessliche Leid von Millionen Menschen, die sich daraus ergeben.

Normal ist, …

dass laut statistischen Zahlen in Österreich die reichsten 20% der Bevölkerung rund 73% des Gesamtvermögens in ihrem Besitz haben, hingegen auf 50% der ärmeren Bevölkerung grade mal 3,6% des Gesamtvermögens fallen. Normal ist auch, dass die, die bereits reich sind sozusagen ohne weiteres Zutun immer reicher werden, wohingegen jene, die arm sind auch mit besonderem Fleiß kaum Chancen haben reicher zu werden.

Normal ist, …

dass es nach wie vor hauptsächlich Männer sind, die in gut bezahlten Spitzenpositionen viel Geld verdienen, während Frauen sich in viel schlechter bezahlten Berufen um die grundlegenden Bedürfnislagen der Gesellschaft bemühen. Auch wenn diese schlecht bezahlten Berufe neuerdings als SYSTEMRELEVANT bezeichnet werden, wird sich in absehbarer Zeit an der monitären Bewertung dieser Leistungen nichts ändern.

Normal ist, …

dass dort, wo der unermessliche ökonomisch motivierte Raubbau Natur und Lebensgrundlagen zerstört, das Recht auf Leben von Tieren, Pflanzen und auch Menschen dem Interesse von Macht und Geld untergeordnet ist.

Normal ist die Sucht nach mehr und mehr Konsum und die damit einhergehende Abhängigkeit und Unmündigkeit, die jeder Sucht zu eigen ist. Normal ist, dass offenbar der Markt alles regelt, wer immer dieser Markt auch sein mag. Normal ist, dass der bequeme Weg bevorzugt wird, zumindest wenn es um gesellschaftliches Engagement geht. Die überschüssigen Energien arbeiten wir dann in unserer Freizeit beim Sport ab. „Ich schau auf mich!“ lautet die Devise, die sich auch als (staatlich verordneter) Leitsatz der aktuellen Krisen-Kampagne wiederfindet. Egoismus vor Gemeinschaftssinn, daran ändert auch die plakative Beschwörung des Zusammenhalts nichts.

Wer all diese Normalität in Frage stellt läuft Gefahr als verhaltensauffällig eingestuft zu werden. Wer sich dieser Normalität entziehen möchte ist ein unrealistischer Spinner, ein Querkopf, ein „Revoluzzer“.

Welche Erziehungsvisionen ergeben sich aus dieser Sichtweise für uns und die Kinder, die uns anvertraut sind? Kann es tatsächlich unser Wunsch sein, dass sich die Kinder immer mehr an diese Form der Normalität anpassen oder wäre es nicht an der Zeit, sie mehr zur „Verhaltensauffälligkeit“ zu ermuntern, in dem Sinne, dass sie sich authentisch verhalten in dem, was ihnen als soziale Wesen mit empathischen Fähigkeiten und der Kompetenz, sich mit der Natur und den darin vorkommenden Wesen zu verbinden, entspricht und im Sinne dessen, dass sie als Wesen von Beginn an mit einem gut funktionierenden moralischen Kompass ausgestattet sind.

Ob alte oder neue Normalität, eine ordentliche Portion Verhaltensauffälligkeit ist für mich in beiden Fällen höchst angebracht!

Birgit Ed(ublogg)er(in)

„Wenn die Pädagogik auf den Hund gekommen ist…“

Kind und Hund
Kind und Hund – ziemlich beste Freunde!

Wie bereits in meinem letzten Beitrag möchte ich auch in diesem Beitrag an mein Leben mit unserer Hündin anknüpfen und von einem Buch berichten, das mir eine liebe Nachbarin gegeben hat. „Hoffnung auf Freundschaft – das erste Jahr des Hundes“ lautet der Titel und die Autoren sind Michael Grewe und Inez Meyer.

Ich habe bereits so einiges an pädagogischer Fachliteratur gelesen, allerdings selten so einen Reichtum an wirklich pädagogisch wertvollen Ansätzen und Gedanken darin gefunden, wie in diesem Buch! Im Vorwort des Buches schreibt die bekannte Ethologin Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen folgendes:

[…] „Das Empordämmern eines versunkenen Winkels aus frühester Kindheit, zum Beispiel in der Langeweile eines hitzeschwangeren Nachmittags; und die zehrende Süße angesichts des unverbrauchten Vorrats an Zeit“ – so benennt der amerikanische Epiker Thomas Wolfe „das Ganze, das Urvertrauen, die Geborgenheit“ wenn er über Kindheit, Zeit und Sinneseindrücke sinniert, über das verlorene Paradies“ der Kindheit. Generell ist das, weniger poetisch ausgedrückt, bei kleinen Hunden ebenso. Das „Kleine Plädoyer für die lange Weile“ beschreibt im neuen Buch von Michael Grewe und Inez Meyer diese entspannte, vertraute Auseinandersetzung des Welpen mit der Umwelt, wenn sich reckend, beobachtend, tastend und riechend Momente des „Nichtstuns“ genossen werden, die mitunter in gezieltes Neugierverhalten oder Spielbewegungen mit dem eigenen Körper oder mit Objekten übergehen können. Sie gehören zum Ruhepol eines Hundes dazu und sind äußerst hilfreich, um mit sich und der Umwelt zurechtzukommen – gerade angesichts der Hektik vieler Hundeleben heute. Langeweile leben ist eben mitnichten Nichtstun. […]

Wäre diese Sichtweise nicht eine, die auf die Situation junger Kinder angewendet werden müsste? Das In-Frage-stellen eines überzogenen Erziehungs- und Förderaktionismus wird in dem vorliegenden Buch an zahlreichen Stellen sichtbar. Immer wieder wird betont, dass Entwicklung und Lernen Zeit und die entsprechenden Gelegenheiten für Erfahrungen (aus erster Hand) benötigen. Hundebesitzer, die ihren kleinen Hund von einem Welpenkurs in den nächsten schleppen, wo ein Training das nächste ablöst, von Agility über Mantrailing, wo Gehorsams- und Unterordnungskurse im täglichen Wechsel einen straffen Terminkalender für den Hund darstellen, sind ebenso Realität wie Eltern, die ihren Kleinkindern bereits vorgeburtlich oder spätestens von Geburt an diverse Förderprogramme „angedeihen“ lassen, um dem Kind nur ja die besten Chancen für den besten Start in ein erfolgreiches Leben zu ermöglichen. Dass das Beste aus der Sicht der Hundebesitzer, oder eben aus der Sicht der Eltern, nicht immer das Beste für die kleinen Schützlinge – ob Kind oder Hund – ist, stellt sich ebenso in der Realität dar.

„Rezepte sind zum Kochen gut…“ lautet die Überschrift des ersten Kapitels. Weiters ist darin folgendes zu lesen:

[…] Erziehung ist eigentlich ganz einfach – warum aber haben dann so viele Hundebesitzer ihre Mühe und Not damit? Warum lassen sie sich von ihrem kleinen Liebling tyrannisieren? Warum suchen sie Hundetrainer, Verhaltensberater und Hundepsychologen auf? Warum lesen sie jedes neue Buch, das zu diesem Thema auf den Markt kommt? Etwa weil Erziehung ganz einfach ist – und nur der Mensch kompliziert? Erziehung ist wirklich ganz einfach. Aber alles andere als simpel. Der Weg durch die Erziehung ist ein Weg mit unendlich vielen Abzweigungen. Das macht die Sache zwar sehr vielschichtig, aber nicht zwangsläufig undurchsichtig. Und gleich vorab: Erziehung ist kein Rezept, sie kann es gar nicht sein. Rezepte sind zum Kochen gut, in der Erziehung haben sie nichts zu suchen. Hier geht es darum, dass sich der Mensch darüber im Klaren ist, was gerade mit ihm, mit seinem Welpen, mit der Umwelt passiert. Mit ihm und seinen Gefühlen, mit seinem Welpen und dessen Bedürfnissen, mit der Umwelt und deren Anforderungen. […]

Whow!!! Denke ich! Wie viele Pädagog*innen gibt es, die in der Lage sind, den Begriff der Erziehung so klar und dennoch komprimiert auszuformulieren? Und dann setzen die Autoren noch folgendes hinzu – sozusagen als I-Tüpfelchen auf diese Gedankenfolge:

[…] Um eine klare Linie in der Erziehung zu verfolgen, bedarf es weder rigider Kommandos noch der immer wieder allseits gepriesenen „Konsequenz“. Aber es bedarf des Nachdenkens, der Infragestellung eigener Gewohnheiten, emotionaler Bedürfnisse und Ansprüche, es bedarf des genauen Hinschauens. […]

Tatsächlich habe ich dieses Buch geradezu verschlungen und nicht mehr aus der Hand gelegt, bis es zu Ende gelesen war. Und immer wieder ergaben sich im Nachvollzug des Geschriebenen Querverbindungen zu pädagogischen Theorien und zur Praxis. Es ist schon ziemlich schräg, wenn ich seither im Kreise von Kolleg*innen immer wieder davon berichte, dass das Buch von Grewe / Meyer eines der wichtigsten Exemplare in meiner persönlichen Fachbibliothek darstellt.

Birgit Ed(ublog)er(in)

Literaturquelle: Grewe M., Meyer I., Hoffnung auf Freundschaft, 2012, Franckh-Kosmos Verlags GmbH; ISBN 978-3-440-12762-9

„Menschen sind auch (nur) Rudeltiere!“

Donna

…oder: Was wir Menschen im Zusammenleben mit Hunden lernen können…

Seit August haben wir wieder eine tierische Mitbewohnerin in unserer Familie aufgenommen. Eine kleine ehemalige Straßenhündin folgt damit unserer lieben Hündin Chiara, die im März 2018 gestorben ist. Eigentlich war mir unser neuer Familienzugang gedanklich eine willkommene Ablenkung von beruflichen Themen: „Es gibt auch noch ein Leben abseits des beruflichen Alltags!“ Wie mir allerdings schnell (wieder) klar wurde kann man im Zusammenleben mit Hunden ganz viel über elementare pädagogische Fragestellungen lernen. Wie bei Hunden geht es auch im Zusammenleben mit kleinen Kindern zunächst um den Aufbau einer stabilen Beziehung, die als Vertrauensbasis jeden weiteren Schritt und jede weitere Entwicklung ermöglicht. Der Zugang zu jungen Kindern ist im Wesentlichen ähnlich jenem zu einem Hund: Beide können mir üblicherweise verbal nicht etwas über sich mitteilen. Also bleibt mir nur der Weg durch Wahrnehmung, Beobachtung und die Interpretation dessen, was ich dabei erfahre, eine Vorstellung davon zu machen, wie das Kind oder eben der Hund seine Umgebung und alles was darin vorkommt, verstehen könnte. Wenn der bekannte deutsche Bildungsforscher Gerd E. Schäfer in ähnlichen (pädagogischen) Zusammenhängen die Frage stellt: „Wie muss ich mir die Situation aus der Sicht des Kindes vorstellen?“ so eignet sich diese Frage in meinem Fall genauso, nur eben auf den Hund bezogen. Und diese Frage führt zu durchaus sehr spannenden Überlegungen! Meine Beobachtungen in den ersten Wochen, die Donna bei uns war, ließen eindeutige Vorstellungen zu: Donna konnte vielen täglichen „Phänomenen“ noch keine Bedeutung zuordnen. Ein Heuballen auf dem Feld, ein Hydrant an der Straßenecke, die Geräusche, die eine Baustelle verursacht – alles war zunächst unbekannt und dadurch unheimlich und beängstigend. Eine Welt voller Dinge und Sinneseindrücke, deren Bedeutung Donna noch nicht kannte. Wenn ich mir das vorstelle kann ich durchaus nachvollziehen, wie gruselig das für sie sein muss. Dass das alles ja gar nicht so gefährlich ist, wie ihr das vorkam wurde zunehmend durch meine Resonanz auf ihre Anzeichen von Angst für sie klar. Resonanz bedeutet in diesem Fall: Ich zeige dir, liebe Donna, mit meiner Gelassenheit in der ich mich dem Hydranten ohne Furcht und Angst nähere, dass das Ding gar nicht gefährlich ist!“ Die verbale Sprache würde uns da nicht weiterbringen, wohl aber eine Körpersprache und eine bestimmte innere Verfasstheit – man könnte es auch Haltung nennen – eine Form der universalen Sprache in der sich Menschen auch über die Grenzen verschiedener Arten hinweg verständigen können. Ich muss mir also auch Gedanken machen, wie meine Resonanz und die nonverbalen Zeichen, die ich Donna gebe, bei ihr ankommen bzw. wie sie diese in ihrem Verständnis einordnet. Verbale Zeichen sind dabei eher irritierend und verwirrend für den Hund. Diesen Prozess der Beobachtung und der Überprüfung, wie ich auf den Hund wirke, bezeichnet man als Reflexion. Unsere Beziehung hat sich auf Basis meiner Bemühungen, mir ein Bild von Donnas „Weltverständnis“ zu machen bereits zu einem tragfähigen System entwickelt. Das Vertrauen zueinander und ineinander wächst damit von Tag zu Tag und Donna überrascht uns nahezu jeden Tag mit Fortschritten in einer Entwicklung hin zu einer Kooperation im Team mit ihrem „Menschenrudel“. Um herauszubekommen was alles in ihr steckt braucht es wieder meine aufmerksame Beobachtung. Was zeigt sie mir von sich aus? Was kann sie alles schon? Hier gilt es anzuknüpfen, hier geschieht lernen! Ressourcenorientierung heißt dieses Prinzip! Ich bin erstaunt wie schnell Donna Dinge lernt, wenn sie dafür positive Bestärkung von mir bekommt, wenn sie erlebt, wie sehr ich mich ehrlich über ihre „Pfote-geben-Nummer“ freue! Und ich bin erstaunt, wie schnell ein Verhalten wieder verschwindet, wenn ich diesem keine Beachtung schenke. Beides kann nur durch unsere wachsende Beziehung zueinander seine Wirkung entfalten, das ist der Unterschied zur Dressur, bei der letztendlich jedes Verhalten durch bestimmte Mechanismen abrufbar ist, unabhängig davon, wer es abruft.

Donna fordert mich auf, meine Wahrnehmung zu sensibilisieren, sie wohlwollend und neugierig zu beobachten und meine Interpretationen dazu auf sie abzustimmen. Sie bietet mir an, mich auf sie einzulassen, sie liefert sich mir aus und schenkt mir dabei Stück für Stück ihr Vertrauen – bedingungslos. Sie aktiviert meinen Blick auf mich selbst, auf mein Befinden, meine Emotionen und Gedanken, sie lädt mich ein zur Selbstreflexion. Sie fordert mich auf weniger mit dem Mund und mehr mit dem Herzen zu sprechen, mir meiner Körpersprache bewusst zu werden. Sie lädt mich ein ruhig und gelassen zu werden um ihr (und mir selbst) damit zu signalisieren: „Hab keine Angst, alles ist gut!“

In der Reflexion meiner Erfahrungen, Beobachtungen und Gedanken, die das Zusammenleben mit Donna mit sich bringt komme ich also zu dem Schluss, dass vieles, was für eine erfüllende Beziehung zwischen mir und meiner Hündin wichtig und wesentlich ist auch für die Beziehungsgestaltung mit Kindern, ja ganz generell mit Menschen gilt. Nicht nur Kinder würden also vom Zusammenleben mit Hunden profitieren, sondern auch ihre Eltern. Voraussetzung dafür ist natürlich die ehrliche Bereitschaft, den Hund als Familienmitglied zu sehen und sich für seine Sicht- und Denkweisen ehrlich zu interessieren, ihn also wahr zu nehmen als eigenständige Persönlichkeit, die er ist und sein Wesen zu respektieren und ihn nicht als „nettes Accessoire“ zu missbrauchen. (Für Kinder gilt das übrigens auch!)

Kein Wunder also, wenn der bekannte österreichische Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal in seinem Buch „Hund und Mensch“ zu dem Fazit kommt und dazu schreibt:

[…] “Ohne die Beziehung zu einem Hund ist der Mensch psychisch nicht vollständig. Und: Hunde sind uns noch ähnlicher als bisher angenommen.“ […]

(Kotrschal K., Hund und Mensch, 2018, Vlg. Brandstätter)

Birgit Ed(ublog)er(in)

Alle Jahre wieder …

Alle Jahre wieder …

Weihnachten – die Zeit der guten Taten, der offenen Herzen und milden Gaben. Die, die auf der Sonnenseite des Lebens stehen teilen mit jenen, denen es nicht so gut geht. Häufig wird dazu etwas gespendet. Häufig werden dazu traurige oder glückliche Kindergesichter zum Sujet der Spendenaufrufe gemacht. Häufig werden mit den Spendengeldern Dinge finanziert, die sich Personen, Familien oder Einrichtungen aus eigener Kraft nicht leisten können, die aber für die Bewältigung des Alltags benötigt werden. Häufig fühlt sich der, der einen Spendenbeitrag leistet ein bisschen besser, weil sich zumindest ansatzweise ein Gefühl einstellt, einen kleinen Beitrag für eine bessere, menschlichere oder gerechtere Welt geleistet zu haben. Ich erlebe das immer wieder selbst so. Tatsächlich beurteile ich die Bereitschaft zu Teilen und zu Helfen als wichtige menschliche Tugenden, die es zu schätzen gilt. Immer öfter stelle ich mir aber auch die Frage, ob da nicht etwas in unserer Gesellschaft grundlegend schiefläuft, wenn z.B. eine Betreuungseinrichtung für behinderte Menschen auf Spendengelder angewiesen ist, damit zwei spezielle Fahrräder gekauft werden können, die den bewegungsbeeinträchtigten Bewohnern das Fahrradfahren ermöglichen. Oder wenn ein Verein, der sich um die Betreuung obdachloser Menschen kümmert, ohne Spendengelder keine Möglichkeit hätte, Maßnahmen zu treffen , um Menschen, die auf der Straße leben (müssen) vor Kälte und Krankheit zu schützen und ihnen zumindest wärmende Kleidung, Schlafsäcke und eine warme Mahlzeit pro Tag anzubieten. Tatsächlich stellt sich an dieser Stelle für mich die Frage, wofür sich ein staatliches Fürsorgesystem zuständig fühlen muss und wo seine Zuständigkeit im ethisch-moralischen Sinne endet. Häufig stellt sich im Zusammenhang mit staatlichen finanziellen Ausgaben die Frage, ob etwas „notwendig“ oder „nicht notwendig“ ist. Eine klare Antwort auf diese Frage findet sich so gut wie nie. Sie liegt immer im Auge des Betrachters und dessen Interessen oder unmittelbarer Betroffenheit. Was ist schon notwendig? Der Brennerbasistunnel? Eine neue Gondelbahn auf den Berg oder ein Schwimmbad, das alle Schikanen spielt oder eine Sprungschanze? Niemandem würde einfallen, Projekte wie diese auf der Basis von Spenden zu realisieren, nach dem Motto: „Eine teure Gondelbahn auf den Berg ist zwar ganz nett, aber die Füße tun´s auch um hinauf zu kommen! Und wer schon meint, dass es eine braucht, der soll halt dafür eine Spende locker machen!“ Diese Überlegung soll uns nicht vom Spenden abhalten! Sie soll aber klar machen, dass spenden alleine zu wenig des Guten ist. Wir werden nicht drumherum kommen uns immer wieder die Frage zu stellen, was die Aufgabe des Staates sein soll und wo sie endet. Wir werden uns aktiv dafür einzusetzen müssen, dass die Erfüllung mancher Grundbedürfnisse nicht ausschließlich auf Spenden und Charityveranstaltungen angewiesen sein darf. Teilen hat mit teilhaben und mit teilnehmen zu tun. Ein Teil der Gesellschaft zu sein sollte für jeden Menschen das ganze Jahr über möglich sein. Alle Jahre wieder…

Birgit Ed(ublogg)er(in)

Ein „weißer Fleck“ auf der Bildungslandkarte“ (TT Artikel vom 28.10.2018 von Sabine Strobl)

Ein „blinder Fleck“ auf der Bildungslandkarte(von Birgit Eder)

Ein inzwischen bereits Jahrzehnte altes Lamento, das in regelmäßigen Abständen gebetsmühlenartig vorgetragen wird, steht nun erneut im Raum: „Österreich ist Schlusslicht in der akademischen Ausbildung der Elementarpädagogen“ – das bedauert laut TT vom 28.11.2018 Thomas Schöpf, Rektor der Pädagogischen Hochschule Tirol.

Dass es nach wie vor hauptsächlich Elementarpädagoginnen sind, die (nicht akademisch) ausgebildet werden, sei als kleiner Hinweis vorangestellt und auch das ist nichts Neues. Auch das Wissen darüber, dass sich jeder Euro, der in die frühkindliche Bildung investiert wird, mit einer mindestens zehnfachen Rendite im Sinne eines „volkswirtschaftlichen Nutzens“ zu Buche schlägt, ist auf Basis zahlreicher Berechnungen bereits längere Zeit bekannt. Ebenfalls wissen wir seit geraumer Zeit, dass das sprichwörtliche Zuständigkeitswirrwarr, welches das System der Elementarpädagogik prägt, dringend notwendige Entwicklungen blockiert, in dem jeder immer für die konkrete Problemlage „leider nicht zuständig“ ist. So schieben sich Land, Gemeinden/private Träger und Bund/verschiedene Ministerien für verschiedene Themen die „heiße Kartoffel“ immer wieder zu und weisen auf die Zuständigkeit des jeweils andern hin. Zu all dem kommt ein (zurecht geforderter und geförderter) massiver Ausbau der Kinderbetreuungsplätze und damit der elementaren Bildungseinrichtungen hinzu. Diese Entwicklungen werden auf politischer Ebene ebenfalls seit nunmehr über zehn Jahren intensiv forciert, sodass die Dynamiken, die sich daraus ergeben (massiv steigender Bedarf an adäquater Aus-, Fort- und Weiterbildung) alles andere als überraschend sind, sondern von Beginn an absehbar waren. Als im Jahr 2009 die Diskussion rund um die PädagogInnenbildung NEU gestartet wurde (https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/pbneu/index.html) , hat sich die engagierte elementarpädagogische Community in diesen wichtigen Entwicklungsprozess eingebracht, mit der dringenden Forderung und dem Plädoyer, diese Gruppe des Bildungssystems in die Reform der pädagogischen Ausbildungen miteinzubeziehen und mit dem Ergebnis, dass von allen diesbezüglichen Zusprüchen und Absichtserklärungen nichts übrig blieb. Die PädagogInnenbildung NEU findet inzwischen wieder einmal abseits der Elementarpädagogik statt und sowohl die Pädagogischen Hochschulen als auch die Universitäten haben es offenbar nicht vermocht, sich in diesem Prozess nachdrücklich für den Einbezug der Elementarpädagogik einzusetzen. Umso verwunderlicher scheint es, wenn jetzt erst die Pädagogischen Hochschulen auf „einen weißen Fleck in der Bildungslandschaft“ hinweisen. Dieser „weiße Fleck“ existiert nämlich bereits gut sichtbar seit langem und viele Chancen, zu diesem „weißen Fleck“ Farbe zu bekennen, wurden auch von den Hochschulen über Jahrzehnte nicht ergriffen. Vielmehr scheint der zitierte „weiße Fleck“ seit geraumer Zeit eher ein „blinder Fleck“ zu sein. Ein Schelm, wer denkt, dass die neuerdings entfachte große Aufmerksamkeit an der Elementarpädagogik vielleicht eher mit eigenen Interessen, als mit den unmittelbaren und mittelbaren Interessen der Elementarpädagoginnen zu tun hat! Klar ist, dass nicht nur im Ausbau der elementaren Bildungseinrichtungen, sondern auch im Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung Erweiterungen und Entwicklungen dringend erforderlich sind. Auch das ist kein überraschender Befund, schon längst hätte dies erkannt werden können und müssen, schon längst hätte darauf reagiert werden können und müssen. Bisweilen zeichnet sich noch nicht ab, dass die Brisanz der Situation von den zuständigen Entscheidungsträgern erkannt wird und dass mit den notwendigen Entscheidungen und der damit verbundenen Ressourcenbereitstellung reagiert wird.

Birgit Ed(ublogg)er(in)

Link zum TT Artikel: https://www.tt.com/panorama/gesellschaft/14942705/elementarpaedagogik-tirol-als-weisser-fleck-auf-der-bildungslandkarte

 

Wenn mir Würde wichtig ist, dann würde ich…..

Gerald Hüther; Würde – was uns stark macht – als Einzelne und als Gesellschaft; 2018

Gestern hat der bekannte deutsche Hirnforscher Gerald Hüther im Rahmen eines Vortrags (wieder einmal) in seiner beeindruckenden Art Klartext gesprochen und unter anderem folgendes gesagt: „Dass Kinder früher oder später die Freude am Lernen verlieren, ist kein Naturgesetz! Sie verlieren diese naturgegebene Freude, weil sie ihnen von Erwachsenen genommen wird, in dem ihnen jemand sagt: „Du kannst kein Mathe, du kannst nicht singen oder du bist unsportlich usw.“. Es ist also kein naturgegebener Vorgang, dass diese schier unbändige Freude am Lernen, wie wir sie von Kleinkindern kennen, einfach erlischt. Es sind ganz bestimmte Menschen, die uns im Verlauf unseres Lebens – meistens schon im Verlauf unserer Kindheit – dieser Freude berauben! Das, so Hüther, hat auch etwas mit Entwürdigung zu tun, indem der Mensch (das Kind) zum Objekt einer Bewertung gemacht wird, indem man ihm also sagt, dass er so, wie er ist, nicht passt. Und Menschen zum Objekt zu machen, sie also nicht als Subjekt (bedingungslos) anzuerkennen, bedeutet, sie ihrer Würde zu berauben. Und die Lust am Lernen bleibt dabei auf der Strecke….

Unter diesem Aspekt scheint mir das ständige Thema, wie eine „adäquate Schulvorbereitung“ auszusehen hätte, (in der Kinderkrippe wäre das dann wohl eine „adäquate Kindergartenvorbereitung“) nochmals mehr einer kritischen Betrachtung unterzogen werden zu müssen. Dieses Thema taucht bei jeder Gelegenheit wieder von Neuem auf und viele Elementarpädagoginnen sind nach wie vor verunsichert, was ihre Aufgabe und Rolle in dieser Thematik betrifft. Die Eltern wollen „das Beste“ für ihr Kind und haben daher den Anspruch an den Kindergarten, dass der Übertritt in die Schule reibungslos und erfolgreich funktioniert. Die Lehrer/innen setzen mit ihren Erwartungshaltungen dort an, wo die Kinder bestenfalls die Voraussetzungen mitbringen sollen, an die organisatorischen Strukturen der Schule, die ja häufig auch gleichzeitig die inhaltlichen Strukturen mitbestimmen, anzuschließen. Die Kindergartenpädagoginnen sehen sich von beiden Seiten (Eltern und Lehrer/innen) mit Erwartungshaltungen konfrontiert, hören die Botschaft, dass sie die Kinder bestens für die Schule „herrichten“ sollen, und übersehen in diesem Spannungsfeld häufig das Kind selbst. Spätestens dieser Zeitpunkt ist dann oft jener, wo Kinder zum Objekt gemacht werden (wenn das nicht bereits schon früher passiert ist, was auch nicht selten vorkommt) – zum Objekt der Schule und/oder auch zum Objekt der Eltern – wo sie dann erfahren, dass sie so, wie sie sind, nicht passend sind, dass da noch etwas besser  – oder einfach nur schneller  – gekonnt, mehr geübt oder gefördert werden müsste!

Ich plädiere daher dringend!!! dafür, dass…
…nicht die Kinder auf die Schule vorbereitet werden sollen, sondern dass sich die Schule auf die Kinder vorbereitet, die normalerweise mit einer überschäumenden Lern-Lust kommen und voller Fragen, Neugierde und Tatendrang sind,

…Elementarpädagoginnen und –pädagogen sich nicht selbst zum „Objekt anderer Interessen“ machen und unter dem Druck von Eltern und Lehrern Kinder zum „Objekt anderer Interessen“ machen und ihnen auf diese Weise viele Möglichkeiten verunmöglichen, die da noch gewesen wären,

…Elementarpädagoginnen und –pädagogen sowie Lehrer/innen keine „Pädagogik der Dressurakte“ mehr verfolgen, sondern sich eingehend damit auseinandersetzen, wie intrinsisch motiviertes Lernen funktioniert und wie ein passender Rahmen und eine dementsprechende „Kultur des Lernens“ in diesem Sinne sein müsste. Hierfür gilt es, sich als Pädagogin/Pädagoge Wissen UND ERFAHRUNGEN anzueignen, hierfür gilt es sich einzusetzen, wenn wir wollen, dass einer zukünftigen Gesellschaft bessere Möglichkeiten einer „weltschonenden“ Weiterentwicklung zur Verfügung stehen, als in der Vergangenheit und der Gegenwart!

Die eigene Würde zu behalten und anderen ihre Würde zu lassen ist – und das ist mir persönlich bei diesem Vortrag klar geworden – eine sehr unspektakuläre Entscheidung, die von jedem jederzeit getroffen werden kann und die in vielen Bereichen des täglichen Lebens ihren Ausgang nehmen kann – gerade auch in der Pädagogik.

Birgit Ed(ublog)er(in)

…das Merkmal des Wirrwarrs ist, dass sich am Ende niemand auskennt!

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

auf orf.at habe ich soeben gelesen, dass damit zu rechnen ist, dass morgen (25. August 2018) im Rahmen einer Pressekonferenz bekanntgegeben werden soll, dass es nun eine Einigung über die Fördermittel für den Kindergartenausbau und die sprachliche Frühförderung gibt.

Mir ist in diesem Zusammenhang eigentlich nicht klar, warum hier zwar Familienministerin Bogner-Strauß teilnimmt, nicht jedoch Bildungsminister Faßmann, wo doch im Regierungsprogramm eine neue Bund-Länder-Vereinbarung im Kapitel „Bildung“ und nicht im Kapitel „Familie“ als Ziel genannt ist. Die Ansiedelung der Elementarpädagogik und aller damit verbundenen Verwaltungsaufgaben im Bereich des Bildungsministeriums ist sachlich so auch völlig korrekt und längst überfällig, sollte aber endlich konsequent umgesetzt werden.

Ich möchte Ihnen hiermit Mut zu sprechen, diese wichtige Maßnahme für die österreichische Bildungslandschaft wie im Regierungsprogramm angedeutet zielstrebig umzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Kurz

Vorbilder wirken…

Neulich habe ich an einem lauen Sommerabend in einem Gastgarten folgende Szene beobachtet: Eine Familie, offensichtlich bestehend aus Vater, Mutter, Großeltern, zwei weiteren Erwachsenen und vier Kindern, einem Baby, einem Kleinkind und zwei Kindern von ca. 6 und 8 Jahren, sitzt am Tisch und isst. Es geht lebhaft aber dennoch gesittet zu, Pizza und Pasta scheinen allen gut zu schmecken. Jener Erwachsene, den ich als Vater identifiziere, weist zwischendurch immer wieder einmal eines der Kinder zurecht und fordert es zum angemessenen Gebrauch von Tischmanieren auf: „Setz dich bitte ordentlich hin und nimm die Serviette zum Finger abwischen!“ „Mit offenem Mund spricht man nicht!“ oder „Iss nicht so gierig und verwende die Gabel!“ ist da von ihm zu vernehmen. Plötzlich läutet sein Smartphone. Ohne zu zögern beginnt er eine ausführliche und lautstarke – offenbar berufliche -Konversation am Handy, ungeachtet dessen, ob diese der Situation und Umgebung angemessen ist. Das gemeinsame Familienessen erklärt er damit schlagartig zur Nebensache und dass die Gesprächsinhalte seines Telefonats die Tischgesellschaft oder auch andere Gastgartenbesucher vielleicht nicht interessieren, ja sogar belästigen könnten, scheint ihn auch nicht zu beschäftigen. Was er aber vor allem seinen Kindern mit diesem Verhalten vorlebt könnte aus deren Perspektive vielleicht folgendermaßen übersetzt werden:“ Einem Handysignal ist jederzeit und in jeder Situation die volle Aufmerksamkeit zu widmen, wenn jemand anruft müssen anwesende Personen schon mal zurückstecken, denn der Anrufer ist in jedem Fall wichtiger! Wie wichtig dieses Handy und der Anrufer wirklich sind zeigt sich schon alleine daran, dass plötzlich alle dem Telefonat zuhören (müssen) – Papa spricht ja auch unüberhörbar laut – alle anderen Gespräche, die bis dahin am Tisch stattfanden, verstummen hingegen augenblicklich. Und – jemand der geschäftig mit dem Handy hantiert muss wohl eine wirklich wichtige Person sein!“ Vorbilder wirken und Kinder lernen in allererster Linie dadurch, dass sie die Erwachsenen nachahmen, darüber sollten sich Erwachsene anhand solcher beispielhaften Situationen wirklich Gedanken machen! Ähnliche Situationen wie diese gibt es wahrlich genug zu beobachten! Eltern, die vor den Augen ihrer Kinder ungehemmt eine Zigarette nach der anderen rauchen, Mütter und Väter, die alle Kommunikationsversuche ihres im Kinderwagen sitzenden Babys nicht wahrnehmen, weil sie sich sehr ausgiebig ihrem Smartphone widmen, Erwachsene, die sich rücksichtslos, ja geradezu gefährlich im Straßenverkehr verhalten, Pädagoginnen und Pädagogen, die einerseits den Kindern und Jugendlichen große Leistungen im Hinblick auf soziales Verhalten und gegenseitige Rücksichtnahme abverlangen, selbst aber nicht in der Lage dazu sind, Politiker und Politikerinnen, die sich nicht zu schade sind mit polemischen, kategorischen und zynischen Statements Feindbilder in Gesellschaften zu manifestieren und darüber ihre ureigenen Machtansprüche und ihre subjektiven Weltanschauungen zu bedienen, kurzum Erwachsene, die schlichtweg durch eigenes Verhalten das vorleben, was sie in anderen Zusammenhängen kritisieren oder gar ablehnen.

Was Kinder durch präsente Vorbilder in ihrer Umgebung und häufig auch über Medien tagtäglich vermittelt bekommen ist der offensichtliche Umstand, dass Rücksichtslosigkeit, das skrupellose Durchsetzen von Eigeninteressen, narzisstische Selbstverliebtheit und vielmehr gewaltvolle als gehaltvolle Worte zum Erfolg führen. Das beginnt bei hochrangigen Politikern und Wirtschaftsbossen (beide stecken häufig ja unter einer Decke), die für sich nichts weniger beanspruchen, als die Welt zu regieren, das führt über Erdenbürger aller Art und Herkunft bis hin zu den unmittelbaren Bezugspersonen im engeren Umfeld der Kinder.

Unter dem Aspekt dieser hochwirksamen Vorbilder werden alle Bemühungen rund um die Bildung unserer Kinder nicht jene Ergebnisse bringen, die eine heutige und zukünftige Gesellschaft aus meiner Sicht dringend benötigt – Menschen, die in der Lage sind, sich in die eigenen Bedürfnisse, sowie in die Bedürfnisse und Situationen anderer (Menschen sowie andere Lebewesen) empathisch einzufühlen und ihre Haltungen und Handlungen mit der notwendigen sozialen und emotionalen Intelligenz zu gestalten, Menschen, die durch entsprechende Vorbilder in die Lage versetzt werden, eigene Bilder davon gestalten, wie ein friedvoller, achtsamer, respektvoller und bewusster Umgang mit sich, mit anderen, mit jeglicher Art von Ressourcen auf dieser Welt letztendlich aussehen könnte, Menschen, die diese Bilder durch ihr eigenes Leben zum Leben erwecken.

„Falls du glaubst, dass du zu klein bist, um etwas zu bewirken, dann versuche mal zu schlafen, wenn ein Moskito im Zimmer ist!“ (Dalai Lama)

 

Birgit Ed(ublog)er(in)

Brief zum Muttertag…

Liebes Kind,

heute schreibe ich dir diesen Brief, weil ich ehrlich gesagt (wieder einmal) am Verzweifeln bin. Ja, ich zweifle wirklich an vielem, was direkt oder indirekt auch mit dir zu tun hat! Du bist zwar nicht mein leibliches Kind und ich habe dich nicht auf die Welt gebracht und eigentlich bist du ja schon viel älter als ich, was für Kinder und deren Eltern eher ungewöhnlich ist. Aber trotzdem betrachte ich dich als mein Kind. Ich versuche nun schon seit ungefähr 30 Jahren, dich in deiner Entwicklung und in deinem Erwachsenwerden zu unterstützen und zu fördern. Ich habe viele Mühen und auch schlaflose Nächte für dich in Kauf genommen. Ich habe Zeit und Geld in dich investiert. Und ich teile mir die Sorge und Fürsorge um dich mit all deinen vielen anderen Müttern. Und trotzdem steckst du immer noch in den Kinderschuhen und willst diesen offenbar nicht und nicht entwachsen! Ich gebe zu, die Väter fehlen dir und das ist bestimmt auch eines deiner zahlreichen Probleme. Aber nur daran kann es aus meiner Sicht nicht liegen, dass du nicht wachsen willst, dass deine Entwicklung sosehr verzögert ist und dass du aufgrund deiner Kleinwüchsigkeit in deiner Bedeutung, in deiner Wichtigkeit und in deinen Werten einfach nicht gesehen wirst, einfach nicht wahrgenommen wirst! Einzig und alleine dein Name hat sich über die Zeit hinweg verändert. Hat man dich früher Kindergartenpädagogik genannt, so nennt man dich heute Elementarpädagogik. Das hat sich zwar noch nicht überall herumgesprochen und es ist auch noch nicht so eindeutig, dass du auf diesen neuen Namen hörst, dass du dich damit angesprochen fühlst und ehrlich gesagt scheint mir diese Namensänderung auch nicht das Wichtigste in deiner Entwicklung zu sein. Wie jede Mutter wünschte auch ich mir für mein Kind, dass es wächst und gedeiht, dass es mit Freude lernt und sich zu einer Persönlichkeit entwickelt, dass es einmal etwas Bedeutungsvolles in diese Welt einbringen kann. Nun hoffe ich das schon so lange, aber es geschieht leider nicht oder zumindest viel zu langsam. Klar, „gut Ding braucht Weile“ und „Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“, so lauten doch diese Weisheiten in der Pädagogik. Aber erstens bin ich von Grund auf ein eher ungeduldiger Mensch und zweitens sind 30 Jahre Zeit des Hoffens und Wartens wirklich eine große Herausforderung, die auch den geduldigsten Menschen irgendwann zur Verzweiflung bringen! Mir ist auch klar, dass du von deinen Patinnen und Paten immer wieder im Stich gelassen wurdest und auch dein neuester Patenonkel Heinz F. scheint wenig Interesse an dir zu haben und ignoriert dich bisweilen, obwohl er versprochen hat, dich nun endlich in sein Haus, das Bildungsministerium zu holen. Es ist nicht gut für Kinder, wenn sie ständig hin und her geschoben werden, das wissen wir Pädagoginnen inzwischen. Mit dir passiert das leider immer schon und immer noch. Aber auch viele deiner Mütter wollen dich klein halten, wollen nicht, dass du groß wirst. Große und immer selbstbewusstere Kinder bringen mitunter auch größere Herausforderungen für uns Erwachsene mit sich, das ist schon klar! Wenn du zu wachsen beginnst, dann müssen alle, die für dich zuständig sind und die mit dir zu tun haben, auch selbst wachsen und davor fürchten sich offenbar viele!

Mein liebes Kind, ich bedaure es unendlich, dass in diesem Land offenbar die Meinung herrscht, dass zwar die Wirtschaft immer weiter und weiter wachsen soll und muss, du aber nicht! Du musst klein und niedlich bleiben, unmündig und bescheiden in deinen eigenen Ansprüchen. Ich werde trotzdem nicht aufhören, dich zu fördern und zu unterstützen so gut ich kann, auch wenn ich befürchte, dass mein Beitrag alleine nicht ausreichen wird für dich, um zu einer starken und selbstbewussten Persönlichkeit heranzuwachsen. Du liegst mir sehr am Herzen und ich könnte mir mein Leben ohne dich nicht vorstellen. Deshalb kann ich auch den kleinen Funken Hoffnung nicht aufgeben, dass du vielleicht doch noch irgendwann einmal erwachsen wirst. Vielleicht benötigst du dazu noch einmal 30 Jahre Entwicklungszeit. Wenn ich bei guter Gesundheit bleibe, habe ich die Chance, das noch zu erleben.

Eine deiner Mütter
Birgit Ed(ublog)er(in)

 

…über eine Pädagogik des Staunens

Seit der Erfindung des Begriffes „Kompetenzen“ ist die Pädagogik hauptsächlich kompetenzorientiert. Was genau damit gemeint ist, bleibt bei eingehender Betrachtung weitgehend unklar. Alles, was früher als Fähigkeit, Fertigkeit oder einfach nur als vermeintlich objektive oder auch subjektive Zielvorstellung der pädagogischen Lehr- und Leistungspläne bezeichnet und formuliert wurde, ist neuerdings eine Kompetenz. Und so wird die Menschheit nun seit geraumer Zeit immer kompetenter.

Was ich unter all dieser Fülle von pädagogisch wertvollen Kompetenzen vermisse ist die Kompetenz des Staunens. „Staunen ist der erste Grund der Philosophie“, so könnte man ein Zitat von Aristoteles übersetzten. Wo werden Kinder in unseren Bildungsinstitutionen zum Staunen eingeladen? Und ich meine damit nicht den einen oder anderen effektvollen Hokuspokus im Physik- oder Chemieunterricht. Wo finden Kinder in unseren Bildungseinrichtungen Umgebungen vor, die sie zum Staunen und Entdecken auffordern und wo sind die Erwachsenen, die sie dabei begleiten und ihnen ihre Fragen nicht unachtsam vorwegnehmen? Natürlich müssen Pädagoginnen und Pädagogen zunächst selbst Meister im Staunen sein, bevor sie sich in dieser hohen Kunst mit Kindern messen können, die ihnen darin naturgemäß einiges voraushaben, weil sie das Staunen bestenfalls noch nicht verloren haben.

„Ich weiß, dass ich nicht weiß“, dieses geflügelte Wort nach Cicero könnte ein guter Anfang sein, sich wieder in die Kunst des Staunens einzuüben. So gesehen erfordert Staunen zunächst einmal so etwas wie Inkompetenz auf hohem Niveau. Was wir in den pädagogischen Berufsfeldern doch nicht alles glauben zu wissen! Wir wissen, was Kinder lernen müssen, und zu welchem Zeitpunkt sie das lernen müssen, wissen wir auch noch. Wir wissen, welche Schwächen und Defizite Kinder haben, wir wissen, was Eltern alles falsch machen, und was sie richtiger machen müssten, wir wissen, wir wissen, wir wissen! Und dabei vergessen wir ganz auf eine weitere Erkenntnis, nämlich dass gerade in unserer Disziplin das Wissen von Heute mitunter der Irrtum von morgen sein kann.

Vielleicht würde es unserer Gesellschaft gut tun, von der Wissensgesellschaft ein bisschen mehr zu einer Staunensgesellschaft zu werden. Vielleicht würde das vermeintliche Selbstverständliche dann nicht mehr so selbstverständlich sein und würde uns dazu auffordern, dem Verstehen auf die Spur zu kommen, uns Wissen zu erarbeiten, anstatt es einfach im fast-food-Modus zu konsumieren.

Und hier schließe ich mit einem letzten Zitat nach Thomas von Aquin: „Das Staunen ist eine Sehnsucht nach Wissen.“

Ich wünsche euch viele begeisterte Momente des Staunens und viele Gelegenheiten, euch bei kindlichen Meistern in die Lehre zu begeben!

Birgit Ed(ublog)er(in)