Zeige mir dein Haus und ich sage dir, wer du bist…

„Der Raum ist der dritte Pädagoge“ diese Erkenntnis hatte bereits Loris Malaguzzi, Begründer der Reggiopädagogik, in der Zeit gegen Ende des zweiten Weltkrieges. In einer Zeit, in der viele Völker des europäischen Kontinents vor einem riesigen Scherbenhaufen standen, verstand Malaguzzi die Bedeutung von räumlicher und materieller Ästhetik als Teil eines weiter gefassten Bildungsgedankens, der zugleich Hoffnungsschimmer für eine Gesellschaft war, die sich nach all den Geschehnissen des Krieges neu erfinden musste. Der Gedanke, dass die äußere räumlich-materielle Ästhetik die innere Ästhetik des Menschen formt und beeinflusst, ist naheliegend. Die Idee, dass die gestaltete räumliche Umgebung (building) Auswirkungen auf Bildungsprozesse von Kindern hat, ist daher als logische Konsequenz anzunehmen. Diese Zusammenhänge sind jedoch häufig in Bildungseinrichtungen nicht sichtbar. Viele Schulen entsprechen in ihren räumlichen Konzepten immer noch dem klassischen Verständnis, in dem davon ausgegangen wird, dass Schüler in Klassen eingeteilt und auf Klassenräume aufgeteilt den Großteil der Zeit, die sie dort verbringen, hinter Schreibpulten absitzen. Demnach findet man in diesen Schulgebäuden weder gemütliche Ecken, die zum verweilen und entspannen einladen, noch sinnvolle Bewegungsmöglichkeiten, die das natürlichste Bedürfnis von Kindern ermöglichen und unterstützen. Auch einladende Schülerrestaurants oder andere kulinarische Verköstigungsmöglichkeiten findet man eher selten. Bildungseinrichtungen erinnern in ihrer baulichen Gestaltung häufig eher an Kasernen, als an einladende Lebensräume – eine historische Begründung hierfür liegt nahe. Im Erkenntnisfundus einer zeitgemäßen Pädagogik findet sich das Wissen um die Bedeutung von Räumen und Umgebungen im Zusammenhang mit Bildungsprozessen. Längst sind diese Themen curricular in den Ausbildungsformen angehender Pädagoginnen und Pädagogen verankert. Umso größer ist meine Verwunderung, wenn ich mir die räumlichen Bedingungen und Realitäten so mancher Ausbildungsstätte für angehende Elementarpädagoginnen/-pädagogen und Lehrer/innen ansehe. Der Befund hierzu reicht von großer räumlicher Beengtheit über desolate Räume und Gebäudeteile bis hin zu fehlenden technischen Standards. Die Mängel in basalen Bereichen sind bereits so gravierend, dass Anforderungen wie z.B. gemütliche Ecken, ansprechende Restaurants oder Buffets, schlichtweg einladende Lebensräume, in denen sich Menschen gerne aufhalten, als Luxusprobleme klassifiziert werden müssen. Wie können also angehende Pädagoginnen und Pädagogen für die Bedeutung der räumlichen (Bildungs)Umgebung sensibilisiert werden, wenn ihnen im Laufe ihres Ausbildungsweges keine diesbezüglichen positiven Erfahrungen zur Verfügung stehen? Wie können lern- und bildungsförderliche Raumkonzepte in die pädagogische Praxis gebracht werden, wenn diese im eigenen Erlebnishorizont nicht vorkommen? Meine Beobachtungen der räumlichen Gegebenheiten in Bildungseinrichtungen haben auch offenbart, dass es sehr wohl solche gibt, die über räumlich gute bis hervorragende Voraussetzungen verfügen. Vor allem Fachhochschulen und Universitäten die sich im Zuständigkeitsbereich von Ländern und im Einflussbereich von wirtschaftlichen Interessensvertretern befinden, zählen zu jenen Einrichtungen, die häufig über eine bestens ausgestattete räumliche Infrastruktur verfügen. Hier scheinen finanzielle Investitionen aus öffentlichen (und privaten) Mitteln wesentlich großzügiger zur Verfügung zu stehen, als Investitionen in Ausbildungsstätten für angehende Pädagoginnen und Pädagogen. Ich möchte mit diesem Vergleich nicht den Anschein einer Neiddebatte erwecken. Dennoch scheint mir hier ein Ungleichgewicht gegeben zu sein, dass ich weder verstehen, noch akzeptieren kann. Ich denke, dass es höchst an der Zeit ist für einen Ausgleich zu sorgen und Ausbildungsstätten wie z.B. Pädagogische Hochschulen und/oder Bildungsanstalten für Elementarpädagogik, aber vor allem auch Kinderkrippen, Kindergärten und Schulen durch bauliche Erneuerungen und Investitionen in die Ausstattung zu Bildungs-, Lern- und Wohlfühlorten zu machen. (den Begriff Bildungsanstalt sollte man dabei auch gleich abreißen!). Denn immerhin werden in diesen Einrichtungen die Grundsteine für (bestenfalls) erfolgreiche Bildungsverläufe gelegt. Es sollte sich bei diesen Institutionen um Treibhäuser der Zukunft handeln, um es mit den Worten des Bildungsjournalisten Reinhard Kahl zu sagen. Wenn wir also möchten, dass Bildung wächst, sprießt und gedeiht, sollte es uns als Gesellschaft das Geld wert sein, mit dem Bauen von geeigneten Treibhäusern zu beginnen.

Birgit Ed(ublog)er(in)