Kinder sind seit Beginn der Menschheitsgeschichte besonderen Gefahren ausgesetzt. Auch heute noch sind Kinder jene Bevölkerungsgruppe, die in vielerlei Hinsicht gefährdet ist. Dabei sind es nicht nur die offensichtlichen und landläufig bekannten Gefahren wie der zunehmende Straßenverkehr, Gewalt in der Familie, Gefahren durch Misshandlung und Missbrauch, Gefahren durch neue Medien wie Internet und Fernsehen oder Gefahren durch Kriege und Terror. Viele Gefahren für Kinder sind viel subtiler und lauern dort, wo man sie nicht vermuten würde und das Bewusstsein darüber ist auf gesellschaftlicher Ebene oft nicht vorhanden. Ich denke in diesem Zusammenhang an Erwachsene, die Kinder diskriminieren, in dem sie ihre Rechte nicht anerkennen und ihre Bedürfnisse nicht respektieren. Diese Erwachsenen findet man unter Politikerinnen und Politikern gleichermaßen wie unter Pädagoginnen und Pädagogen. Auch Eltern können hier genannt werden und natürlich alle anderen Erwachsenen.
Dass am 20. Jänner 2011 das „Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern“ im Österreichischen Nationalrat beschlossen wurde, wissen nur die wenigsten Personen in diesem Land. Immerhin sind in diesem Gesetz bescheidene 7 Artikel der insgesamt 54 Artikel langen UN Kinderrechtskonvention in den Verfassungsrang, also in die hierzulande höchste Gesetzesebene, gehoben worden.
Das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern enthält allgemeine Formulierungen, die im Wesentlichen auf das Recht jedes Kindes auf ein Leben in Freiheit und Sicherheit, den Schutz vor jeder Art von Gewalt in der Erziehung sowie das Recht und die Möglichkeit der Teilhabe JEDES KINDES an Bildung, am sozialen und kulturellen Leben einer Gesellschaft beschreiben. Auch das Recht auf eine eigene und freie Meinung sowie der Einbezug der Meinung des Kindes bei Angelegenheiten die es betreffen, werden erwähnt. Soweit so gut. Auf den ersten Blick sollten die geschriebenen Deklarationen mit den Grundsätzen eines demokratischen Staatssystems kompatibel sein. Die genauere Betrachtung ergibt, dass sich gerade in unserem Bildungssystem zahlreiche Widersprüche zu den Forderungen der Kinderrechtgesetze finden. Dass es im österreichischen Schulsystem seit Jahren nicht gelingen will die erforderlichen und notwendigen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für eine echte inklusive Schule zu schaffen, ist inzwischen landläufig bekannt und wird in regelmäßigen Intervallen von der Medienlandschaft hierzulande dankbar als Lückenfüller für „mediale Durststrecken“ verwendet. Dabei verkürzt sich die mediale Debatte dann auf die Thematik von Kindern mit Behinderungen und die beständigen Argumentationslinien zwischen „Das funktioniert nicht“ und „Das funktioniert sehr wohl“ und von Seiten der politisch Verantwortlichen kommt dann obendrauf wie das Amen im Gebet das Argument, dass man mit der Abschaffung der Sonderschule (Aussonderungsschule) die Wahlfreiheit der Eltern in Gefahr sehen würde, wobei die „Wahlfreiheit“ im Zusammenhang mit Schule ja an und für sich eine Unvereinbarkeit darstellt. Wie viel Wahlfreiheit haben Schüler bei der Wahl der Schule, die sie gerne besuchen würden? Bereits für den Volksschüler oder die Volksschülerin endet die Wahlfreiheit am Zaun des Schulsprengels, dem sie oder er zugewiesen ist. Ganz zu schweigen von den riesigen Mauern, die der Volksschüler oder die Volksschülerin vier Jahre später vorfinden wird, wenn es darum geht in ein Gymnasium oder auch nur in die Mittelschule ihrer Wahl zu wechseln. Soviel zur Wahlfreiheit, die unser Schulsystem bietet.
Der Begriff der „Inklusion“ würde vieles umfassen, was die Rechte der Kinder explizit definieren. Wenn man von Inklusion im besten Sinne des Wortes spricht geht es längst nicht mehr nur um die Belange von Menschen mit Behinderung. Inklusion wird als Grundhaltung definiert, auf deren Basis allen Menschen in einer Gesellschaft das Recht auf Unterschiedlichkeit zugesprochen wird. Dementsprechend müsste in einem inklusiven Bildungssystem dieser Unterschiedlichkeit ALLER Kinder Rechnung getragen werden. In letzter Konsequenz würde dies das Ende eines über die Maßen normierten Bildungssystems bedeuten. Aktuell wird der Begriff der Inklusion in unserem Bildungssystem auf verschiedene Arten und Weisen in den curricularen Grundlagen verankert, gleichzeitig werden aber immer mehr Normvorgaben geschaffen – ein Paradoxon an sich.
Kehren wir nach diesem kleinen Exkurs wieder zur Frage nach der Wirkung und der Bedeutung der Kinderrechte zum Schutz der Kinder und zur Sicherung ihrer verbrieften Rechte zurück. Auch wenn es den meisten Kindern hierzulande um vieles besser geht, als Kindern, die das Pech hatten an einem anderen Ort auf diesem Planeten zur Welt zu kommen, so ist doch nicht alles, was Kinder in unserer Gesellschaft und speziell auch in Institutionen, die explizit im Auftrag der Kinderrechte stehen, zu akzeptieren. Kinder sind in institutionalisierten Bildungseinrichtungen mittlerweile selten direkter körperlicher Gewalt im Sinne von „Erziehungsmethoden“ ausgesetzt. Die psychische Gewalt, die Kinder bisweilen erfahren müssen, ist allerdings weit verbreitet und wird nur selten für das Umfeld des Kindes sichtbar. So bringen zum Beispiel Studien über Kinderkrippen in Deutschland als auch in Österreich zutage, dass in einem Großteil dieser Einrichtungen eine professionelle Eingewöhnung nach anerkannten Konzepten nicht praktiziert wird. Was es für unter dreijährige Kinder bedeutet, die Trennung von primären Bezugspersonen ohne adäquate Übergänge und vor allem ohne die Möglichkeit des Aufbaus von verlässlichen alternativen Bindungen zu anderen Bezugspersonen in der Einrichtung, in der das Kind verbleiben soll, vollziehen zu müssen, kann man nur mit extremer psychischer Gewalt bezeichnen. Kindern werden hier Stresssituationen zugemutet, die sie kaum bewältigen können. Die möglichen Traumata, können für den weiteren Entwicklungsverlauf dieser Kinder schwerwiegend sein. Psychische Gewalt in Einrichtungen für Kinder kann vielfältige Gesichter haben. Vom täglichen Bloßstellen durch die unsensible Bemerkung eines Erwachsenen über die Nicht-Beachtung elementarer kindlicher Bedürfnisse aufgrund von „ungünstigen“ Personalsituationen oder schlichtweg aufgrund von unausgebildetem oder einfach nicht geeignetem Personal in Bildungseinrichtungen reicht der Bogen bis hin zu systemisch und systematisch verankerten Strukturen, die die gesetzlich definierten Rechte von Kindern konterkarieren, wie weiter oben am Beispiel der fehlenden Inklusion bereits erläutert wurde. Die „wirtschaftliche Ausbeutung“ von Kindern erfolgt in den sogenannten „westlichen Ländern“ dieser Erde weniger dadurch, dass Kinder als billige Arbeitskräfte herangezogen werden. Wenn Kinder allerdings in einem hohen Maß, systematisiert durch die Mittel und Möglichkeiten geradezu aggressiver Marketingstrategien, zu unmündigen und abhängigen Konsumenten gemacht werden, so ist das für mich eine Art der wirtschaftlichen Ausbeutung, gekoppelt mit einem Hinführen zu Abhängigkeiten und auch das Thema der Sucht taucht in diesem Kontext mit auf.
Gerade weil in unserer Gesellschaft die Sicherheit sowie die Rechte der Kinder vordergründig in einem hohen Maße vorhanden und gesichert zu sein scheinen, ist es unser Auftrag, den Hintergrund zu beleuchten und einen kritischen Blick auf die Realität zu werfen. Pädagoginnen und Pädagogen sollten sich als Lobbyisten der Kinder sowie der Kindheit verstehen und sich selbst gegenüber wachsam bleiben. Selbst in unserem Rechtsstaat haben Kinder nur dort Rechte, wo Erwachsene diese Rechte kennen, respektieren und danach handeln – und sich im Namen der Kinder dafür einsetzten – nicht nur am Tag der Kinderrechte!
Website der UNICEF https://www.unicef.ch/de/aktuell/news/internationaler-tag-der-kinderrechte
UNICEF stellt am Internationalen Tag der Kinderrechte, dem 20. November, versteckte Gewalt und Missbrauch an Kindern ins Rampenlicht. Denn Millionen von Kindern in allen Ländern und durch alle sozialen Schichten sind Gewalt und Missbrauch ausgesetzt. Mehrheitlich bleiben diese Übergriffe verborgen. Helfen Sie mit, das Unsichtbare sichtbar zu machen.
Birgit Ed(ublogg)er(in)
Liebe Birgit,
schön dabei zu sein. Themen gefallen mir, weiter so, mit viel Herz.
Nadja
Liebe Nadja, danke für Deine Rückmeldung! Alles Liebe!
Birgit