Vorbilder wirken…

Neulich habe ich an einem lauen Sommerabend in einem Gastgarten folgende Szene beobachtet: Eine Familie, offensichtlich bestehend aus Vater, Mutter, Großeltern, zwei weiteren Erwachsenen und vier Kindern, einem Baby, einem Kleinkind und zwei Kindern von ca. 6 und 8 Jahren, sitzt am Tisch und isst. Es geht lebhaft aber dennoch gesittet zu, Pizza und Pasta scheinen allen gut zu schmecken. Jener Erwachsene, den ich als Vater identifiziere, weist zwischendurch immer wieder einmal eines der Kinder zurecht und fordert es zum angemessenen Gebrauch von Tischmanieren auf: „Setz dich bitte ordentlich hin und nimm die Serviette zum Finger abwischen!“ „Mit offenem Mund spricht man nicht!“ oder „Iss nicht so gierig und verwende die Gabel!“ ist da von ihm zu vernehmen. Plötzlich läutet sein Smartphone. Ohne zu zögern beginnt er eine ausführliche und lautstarke – offenbar berufliche -Konversation am Handy, ungeachtet dessen, ob diese der Situation und Umgebung angemessen ist. Das gemeinsame Familienessen erklärt er damit schlagartig zur Nebensache und dass die Gesprächsinhalte seines Telefonats die Tischgesellschaft oder auch andere Gastgartenbesucher vielleicht nicht interessieren, ja sogar belästigen könnten, scheint ihn auch nicht zu beschäftigen. Was er aber vor allem seinen Kindern mit diesem Verhalten vorlebt könnte aus deren Perspektive vielleicht folgendermaßen übersetzt werden:“ Einem Handysignal ist jederzeit und in jeder Situation die volle Aufmerksamkeit zu widmen, wenn jemand anruft müssen anwesende Personen schon mal zurückstecken, denn der Anrufer ist in jedem Fall wichtiger! Wie wichtig dieses Handy und der Anrufer wirklich sind zeigt sich schon alleine daran, dass plötzlich alle dem Telefonat zuhören (müssen) – Papa spricht ja auch unüberhörbar laut – alle anderen Gespräche, die bis dahin am Tisch stattfanden, verstummen hingegen augenblicklich. Und – jemand der geschäftig mit dem Handy hantiert muss wohl eine wirklich wichtige Person sein!“ Vorbilder wirken und Kinder lernen in allererster Linie dadurch, dass sie die Erwachsenen nachahmen, darüber sollten sich Erwachsene anhand solcher beispielhaften Situationen wirklich Gedanken machen! Ähnliche Situationen wie diese gibt es wahrlich genug zu beobachten! Eltern, die vor den Augen ihrer Kinder ungehemmt eine Zigarette nach der anderen rauchen, Mütter und Väter, die alle Kommunikationsversuche ihres im Kinderwagen sitzenden Babys nicht wahrnehmen, weil sie sich sehr ausgiebig ihrem Smartphone widmen, Erwachsene, die sich rücksichtslos, ja geradezu gefährlich im Straßenverkehr verhalten, Pädagoginnen und Pädagogen, die einerseits den Kindern und Jugendlichen große Leistungen im Hinblick auf soziales Verhalten und gegenseitige Rücksichtnahme abverlangen, selbst aber nicht in der Lage dazu sind, Politiker und Politikerinnen, die sich nicht zu schade sind mit polemischen, kategorischen und zynischen Statements Feindbilder in Gesellschaften zu manifestieren und darüber ihre ureigenen Machtansprüche und ihre subjektiven Weltanschauungen zu bedienen, kurzum Erwachsene, die schlichtweg durch eigenes Verhalten das vorleben, was sie in anderen Zusammenhängen kritisieren oder gar ablehnen.

Was Kinder durch präsente Vorbilder in ihrer Umgebung und häufig auch über Medien tagtäglich vermittelt bekommen ist der offensichtliche Umstand, dass Rücksichtslosigkeit, das skrupellose Durchsetzen von Eigeninteressen, narzisstische Selbstverliebtheit und vielmehr gewaltvolle als gehaltvolle Worte zum Erfolg führen. Das beginnt bei hochrangigen Politikern und Wirtschaftsbossen (beide stecken häufig ja unter einer Decke), die für sich nichts weniger beanspruchen, als die Welt zu regieren, das führt über Erdenbürger aller Art und Herkunft bis hin zu den unmittelbaren Bezugspersonen im engeren Umfeld der Kinder.

Unter dem Aspekt dieser hochwirksamen Vorbilder werden alle Bemühungen rund um die Bildung unserer Kinder nicht jene Ergebnisse bringen, die eine heutige und zukünftige Gesellschaft aus meiner Sicht dringend benötigt – Menschen, die in der Lage sind, sich in die eigenen Bedürfnisse, sowie in die Bedürfnisse und Situationen anderer (Menschen sowie andere Lebewesen) empathisch einzufühlen und ihre Haltungen und Handlungen mit der notwendigen sozialen und emotionalen Intelligenz zu gestalten, Menschen, die durch entsprechende Vorbilder in die Lage versetzt werden, eigene Bilder davon gestalten, wie ein friedvoller, achtsamer, respektvoller und bewusster Umgang mit sich, mit anderen, mit jeglicher Art von Ressourcen auf dieser Welt letztendlich aussehen könnte, Menschen, die diese Bilder durch ihr eigenes Leben zum Leben erwecken.

„Falls du glaubst, dass du zu klein bist, um etwas zu bewirken, dann versuche mal zu schlafen, wenn ein Moskito im Zimmer ist!“ (Dalai Lama)

 

Birgit Ed(ublog)er(in)

Autor: Birgit Eder

Elementarpädagogin, die ursprünglich Verhaltensforscherin werden wollte und durch Zufall beruflich im Kindergarten gelandet ist, wo sie sich seit über 25 Jahren genau richtig fühlt!

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